So fing es bei mir an!
Die Initiative für eine Achtsamkeits-AG, die im Schuljahr durchgängig durchgeführt werden sollte, kam von Seiten meiner Schülerinnen, nachdem ich 2015 ein Projekt über „Achtsame Kommunikation“ anbot. Die Schülerinnen vertraten die Meinung, dass die Achtsamkeitspraxis mitten in den Schulalltag gehöre. Ihnen war es ein Anliegen, die erhöhte Entspannungs- und Konzentrationsfähigkeit, die sie durch die Achtsamkeitspraxis erfuhren, regelmäßig zu kultivieren.

„Im Schulalltag kann ich besonders in stressigen Situationen durch die Achtsamkeit mal runterkommen und so einen klaren Kopf bekommen.“
(Zitat Schülerin)


„In der Schule kann ich mich nach dem Achtsamsein sehr gut konzentrieren, nicht nur im Unterricht, sondern auch auf meine Bedürfnisse.“
(Zitat Schülerin)


2015 begann ich damit, die Achtsamkeitspraxis in der Schule anzubieten, anfangs nur in Projekten und AGs, doch bald flossen die Achtsamkeitsübungen in meine tägliche Unterrichtstätigkeit mit ein. Sie bedeuteten nicht nur für mich ein Innehalten mitten im Trubel des Schulalltags, sondern wurden auch von den Schülern/innen dankbar angenommen und sogar immer wieder eingefordert. 

„Das Achtsamkeitstraining nimmt mir die Angst vor Prüfungen und erleichtert morgens das Aufstehen.“
(Zitat Schülerin)


„Für mich ist Achtsamkeit das Leben langsamer leben.“
(Zitat Schülerin)

Es folgten die „Achtsamkeitspausen“ für interessierte Kollegen/innen, die in gemeinsamen Hohlstunden stattfanden. Seit 2018 biete ich inzwischen regelmäßig Stressbewältigungskurse für Lehrer/innen im Rahmen der präventiven Gesundheitsvorsorge an.

„Achtsamkeit lehrt mich, gerade in stressigen, hektischen Zeiten die Ruhe zu bewahren.“
(Zitat Lehrerin)


„Achtsamkeit bringt Ruhe in meine Unterrichtsstunden: ich lasse den Schülern/innen mehr Zeit.“
(Zitat Lehrerin)

Seehstern


Bildungsziele: Auszüge aus dem Bildungsplan 2016 BW

In der „Einführung in den Bildungsplan2016“ BW werden Bildungs- und Erziehungsziele erläutert: […] „Zu den prominentesten Herausforderungen zählen die Überlebensfrage angesichts der Begrenztheit eigener und natürlicher Ressourcen (Nachhaltigkeit), die Orientierungsfähigkeit, Verantwortungsübernahme und Konfliktfähigkeit angesichts konkurrierender Geltungsansprüche in der modernen Gesellschaft (Pluralitätsfähigkeit) sowie die Frage nach einem achtsamen Umgang mit eigenen psychischen und physischen Möglichkeiten und Grenzen (Resilienz) sowie denen des Anderen (Empathie).“ […]

Als eine der 6 Leitperspektiven wird „Prävention und Gesundheitsförderung (PG)“ aufgeführt, die „auf die Förderung von Lebenskompetenzen und Stärkung von persönlichen Schutzfaktoren“ abzielt. Für die Unterstützung eines „sozial kompetenten und gesundheitsbewussten Umgangs mit sich selbst und anderen“ braucht es – so heißt es im Bildungsplan - „auf Seiten der Erwachsenen eine Haltung, die es Kindern und Jugendlichen ermöglicht, sich im täglichen Handeln als selbstwirksam zu erleben.“

Folgende zentrale Lern- und Handlungsfelder werden in diesem Kontext genannt:

  • Selbstregulation: Gedanken, Emotionen und Handlungen selbst regulieren;
  • ressourcenorientiert denken und Probleme lösen;
  • wertschätzend kommunizieren und handeln;
  • lösungsorientiert Konflikte und Stress bewältigen;
  • Kontakte und Beziehungen aufbauen und halten.

Die Begriffe wie „Wahrnehmung und Empfindung, Selbstregulation und Lernen, Bewegung und Entspannung“ werden in der Leitperspektive im Bildungsplan konkret genannt.

Umsetzung
Mir geht das Herz auf, wenn ich diese und auch weitere Zielsetzungen im Bildungsplan lese. Ich bin unglaublich dankbar dafür, dass wir in unserem Land für unsere Kinder und Jugendlichen eine so ideale Basis für ihr Leben bieten.

Nur - wie sind speziell die oben genannten Ziele erreichbar? Es gibt so viele Möglichkeiten, sie im Fachunterricht und in sozialen Lerncurricula sowie in außerunterrichtlichen Bereichen umzusetzen. Und dennoch erleben Schüler/innen wie auch Lehrkräfte so viel Stress, oder„Druck“ wie es meine Schüler nennen, dass paradoxerweise gerade  der Erwerb der sozialen und emotionalen Kompetenzen, die bei der Stressbewältigung so unterstützend wirken könnten, häufig zu kurz kommt oder sogar aus dem Blick gerät. Zu sehr wird der Schulalltag von der Bewältigung der Stofffülle in den einzelnen Fächern, von zu großen Klassenstärken und vielen anderen herausfordernden Rahmenbedingungen beherrscht. Die Vermittlung von messbarem Wissen steht nach wie vor in unserem Schulalltag im Vordergrund.

Mehr denn je ist es in unserer Welt jedoch von unermesslicher Bedeutung, soziale und emotionale Kompetenzen zu entwickeln; in einer Welt, in der wir Menschen von einer Informationsflut überwältigt werden, die von Schnelllebigkeit geprägt ist, jedes neu erworbene Wissen nur noch eine Halbwertszeit von einigen Jahren hat, in der „fake news“ die sozialen Medien beherrschen, muss über die kognitive Intelligenz hinaus das Bewusstsein durch erfahrungsbasierte Fähigkeiten geschult werden. Hier gilt es das Bewusstsein zu sensibilisieren um Informationsquellen zu hinterfragen; die Fähigkeit zu fördern, sich an neue Situationen anzupassen und flexibel zu reagieren; die emotionale und somatische Intelligenz zu stärken um Selbstvertrauen und Intuition zu fördern; die soziale Intelligenz zu fördern, um sich mit dem Anderen zu verbinden und somit Empathie entwickeln zu können.

Wie kann die Integration der Achtsamkeitspraxis in den Schulalltag auf diesen Ebenen einen Beitrag zur Entwicklung der genannten Fähigkeiten leisten?

Klangschale

Inhalte der Achtsamkeitspraxis

Die Achtsamkeitspraxis bietet erfahrungsorientierte Methoden an, die die Vielfalt unserer Intelligenzen nachhaltig fördern. Diese Praxis umfasst das Erforschen unseres Körperbewusstseins, das u.a. ein wichtiges Element für die emotionale Intelligenz und Intuition ist. Der Fokus liegt hierbei auf der Sensibilisierung der Wahrnehmung der Körperempfindungen und auf der Verbesserung der Entspannungsfähigkeit. Des Weiteren wird unsere Gedanken- und Ideenwelt (mitsamt unseren Vorurteilen und gewohnheitsmäßigen Denkmustern) erkundet sowie unser emotionales Bewusstsein, das den Umgang mit Emotionen steuert und auch Denk- und Entscheidungsprozesse beeinflusst. Hier werden Stressreaktionen beleuchtet und neue Wege gefunden, um einen bewussten Umgang mit schwierigen Situationen zu erlernen. Im Erforschen der sozialen Intelligenz entsteht das Bewusstsein für achtsame Kommunikation und Empathie. Infolge der Kultivierung der vorangegangen Intelligenzen entwickelt sich wie aus sich selbst heraus die globale Intelligenz, die die Interdependenz unserer Lebensbereiche bewusst werden lässt, woraus sich ein Engagement für die dringenden Belange unserer Welt entwickeln kann. Die Basis für die Prozesse des Erforschens und Lernens ist die durchgängige Schulung der Präsenz des Bewusstseins, auf das in allen Achtsamkeitsübungen fokussiert wird, und durch das jeder Lernprozess frisch erlebbar wird.

„Achtsamkeit hat mich zum ersten Mal gelehrt, auf kleine Dinge acht zu geben und wohlwollender mit mir und meinen Mitmenschen umzugehen, auch wenn ich dafür des Öfteren meine eigene Haltung hinterfragen muss, was nicht immer leichtfällt.“
(Zitat Schülerin)

„Achtsamkeit bringt mich dazu, das Befinden der anderen besser wahrzunehmen.“
(Zitat Lehrerin)

„Ich erlebe mich in anstrengenden Situationen (Erziehung, Konflikt) gelassener und geduldiger.“
(Zitat Lehrerin)


Zielgruppe in der Schule
Idealerweise haben alle Beteiligten des Schullebens Zugang zur Achtsamkeitspraxis: die Schulleitung, Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter/innen, Schüler und Schülerinnen. Diesen Ansatz hat das NRW Projekt in Solingen erfolgreich umgesetzt (Studien und Projekte).

Die Achtsamkeitspraxis ist allerdings nicht eine Methode, die jedem übergestülpt werden kann und sollte nach dem Prinzip der Freiwilligkeit zugänglich gemacht werden. Sie ist – wie schon erwähnt – eine erfahrungsorientierte Methode und kann nur fruchten, wenn grundsätzliche Bereitschaft und Offenheit vorhanden sind.

Organisationsformen
Die in Achtsamkeit ausgebildeten Lehrkräfte agieren als Vorbild für die Schüler/innen, indem sie einerseits gesundheitsfördernde Einstellungen verkörpern und andererseits die Schüler/innen in einer wohlwollenden und empathischen Haltung begleiten und führen. Wie weiter oben unter den Bildungszielen hervorgehoben, ist die Haltung der Lehrkräfte die Voraussetzung dafür, dass sich die Schüler/innen selbstwirksam in ihrem Handeln erleben.

Falls es die Rahmenbedingungen des Unterrichts zulassen, können Lehrkräfte immer wieder Achtsamkeitsübungen in den Unterricht einfließen lassen, entweder zu Unterrichtsbeginn, als Pausengestaltung während des Unterrichts oder innerhalb des zu vermittelnden Unterrichtsstoffs. Da die Schüler/innen im Unterricht sehr viel sitzen, käme es den Schülern/innen zugute, die Achtsamkeitsübungen in Verbindung mit Körperübungen aus dem Yoga oder Qi Gong anzubieten.

Die Klassenlehrerstunde, in der u.a. Raum für sozial-emotionales Lernen vorgesehen ist (SEL, Klassenrat, Lions Quest, etc.) kann auch für die Achtsamkeitspraxis genutzt werden, die als Grundlage und roter Faden für alle anderen sozialen Lerncurricula betrachtet werden kann.

Die Schule kann eine Achtsamkeits-AG für Schüler/innen anbieten, in der die Achtsamkeitspraxis intensiv und regelmäßig vermittelt wird, zum Beispiel angelehnt an das Achtsamkeitsübungsbuch von Daniel Rechtsschaffen oder dem AISHU-Konzept von Vera Kaltwasser.

Die Schule kann vor Beginn des Unterrichts für interessierte Lehrkräfte und Schüler/innen eine Morgenpraxis anbieten. „Atempausen“ können im Laufe des Schulalltags für Lehrkräfte wie auch für Schüler/innen angeboten werden.

Lehrer/innen können im Rahmen der präventiven Gesundheitsvorsorge einen Kurs beantragen (dies ist in BW möglich), der sie in die Achtsamkeitspraxis einführt und darauf aufbauend weitere Kurse initiieren.

Wirkungen:
Die Integration der Achtsamkeitspraxis in die Schule bewirkt meiner Erfahrung nach ein verbessertes Lernklima, trägt zu einer konzentrierten und entspannten Unterrichtsatmosphäre bei und fördert ein respektvolles, achtsames und gestaltendes Miteinander. Das Unterrichten selbst wird durch die praktizierte Achtsamkeit freudvoller und gewinnt an Leichtigkeit. Die Verbundenheit und das Vertrauen, die im Beziehungsgeflecht unter den Schülern/innen und zwischen den Lehrkräften und den Schülern/innen wachsen, bilden eine Grundlage für positive Lernerfahrungen. In einer derart gestalteten Lernatmosphäre kann ein vermehrt schülerorientierteres Unterrichten möglich werden.

„Achtsamkeit heißt schöne Momente intensiver erleben und in schlechten Momenten loslassen können.“
(Zitat Schülerin)

„Mindfulness has also really helped with managing stress and has actually made me feel more positively about learning.“
(Zitat amerikanische Austauschschülerin)

„Achtsamkeit zügelt meinen „monkey mind“ in der heutigen Informationsüberflutung durch die digitalen Medien. So kann ich mich besser auf die wichtigen Dinge fokussieren.“
(Zitat Schüler)

Learning to appreciate the knowledge I´m gaining and the time and energy my teachers invest in their teaching has allowed me to really enjoy school. It´s amazing how your attitude and the way you think about your education can completely alter the experience you have at school.
(Zitat amerikanische Austauschschülerin)


Informationen über meine Angebote für Achtsamkeitstraining in Schulen erfahren Sie hier.

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